Koproduktion steirischer herbst, Kooperation musikprotokoll 2013
I share, therefore I am.
Mit
Christina Clar, Tobias Hoffmann, Wernfried Lackner, Pei-Wen Liu, Diane
Ludin, Astrid Mager, Donna Metzlar, Els van Riel, Femke Snelting, Enrique
Tomas, Marloes de Valk.
Eröffnung: Samstag, 21. September 2013, 11 Uhr
22. September - 3. November 2013:
Dienstag - Sonntag: 10.00 - 18.00 Uhr
5. November – 13. Dezember 2013:
Dienstag - Freitag: 14.00 - 19.00 Uhr
und nach Vereinbarung
FLOWING TWO - Els van Riel
"I like to see this work as a study on the actual relationship between
chemical and mechanical film and the potential physical matter of
time. I attempt to use the matter of film as a container for slices of
abstract time itself. As if this were possible."
“Inevitably, Here”
Pei-Wen Liu und Tobias Hoffmann
Inevitably, Here ist eine Klanginstallation, die auf Soundscapes
aufbaut, Aufnahmen aus verschiedenen Regionen der Welt. Diese sind in
kleinen Objekten (Petrischalen) „verpackt”, die die Klänge als
QR-Codes in sich tragen. Sie vermitteln die Unmittelbarkeit
akusmatischen Hörens und die Entdeckung eines konkreten
Klangraumes.
Die Arbeit erforscht zeitgenössiche Methoden angewandter Kunst
und Technologien mit freier Software/Open Hardware. “Inevitably,
Here” dringt in den vorhandenen akustischen Raum ein, ohne zu
versuchen, diesen zu ersetzen.
Army of Darkness – algorithmischer Drone-Rock und generative
Klanginstallation
Wernfried Lackner, gullibloon
Zwei E-Gitarren und zwei E-Bässe hängen von der Decke.
Vier Miniroboter bewegen sich autonom durch den Raum unter ihnen,
gerade in der richtigen Höhe, um die Saiten zu erwischen und
dadurch algorithmischen Drone-Rock zu produzieren.
i-Biology revisited
Diane Ludin
i-Biology macht Kreisläufe zwischen Venture Kapital,
Bio-Wissenschaften und der Verbindung mit Regierungsentscheidungen und
Investitionen im aktuellen Technologiemarkt sichtbar. Patentierung ist
ein integraler Bestandteil in der Übersetzung von DNA-bezogener
Information in Profit, v.a. wenn es darum geht, die Kriterien zu
überprüfen, nach denen ein Forschungsinhalt verfolgt wird
oder eben nicht.
SKOR Codex - Marloes de Valk
Der SKOR Codex ist ein gedrucktes Buch, das an mehrere Orte der Erde
geschickt wird.
Es enthält binär encodierte Bild- und Tondateien, die ausgesucht
wurden, um die Diversität des Lebens und der Kultur(en) der Foundation
for Art and Public Domain (SKOR) zu zeigen. Das Zielpublikum des
Buches ist jede Art intelligenten terrestrischen Lebens oder
zukünftiger Menschen, die es finden werden. Die Dateien wurden vor
Zerfall, Softwareverfall und Hardwareausfällen bewahrt, indem eine
Transformation vom Magnetübertragungen einer Festplatte in Tinte auf
Papier erfolgte, dadurch auf Jahrhunderte gesichert.
Into ISS - Enrique Tomas
“Into ISS” ist eine Klanginstallation über unsere Erwartungshaltungen,
über das Bedürfnis, an einem Ort zu sein, zu bleiben, bis etwas Neues
geschieht. “Into ISS” bringt uns in eine unglaubliche Klanglandschaft
aus Computern, Ventilatoren und anderen Maschinen, die im Inneren der
International Space Station Iss aufgenommen wurden. Ein Ort, an den
vermutlich keine/r “von uns” je kommen wird. Um ihn zu hören, muss
die ISS allerdings gerade direkt über Graz fliegen.
Available for Conversation - Donna Metzlar
Donna Metzlar ist eine der Kernpersonen der Genderchangers in
Amsterdam, und seit 2005 massgeblich am Eclectic Tech Carnival
beteiligt. Vom 21. - 29. September wird sie täglich 2 Bürostunden lang
von 16.00 - 18.00 Uhr zum Gespräch zur Verfügung
stehen. In English.
"If we share a pot of tea we may follow George Orwell's instructions
from the essay "A Nice Cup of Tea", first published in the Evening Standard".
Und ab und zu werden wir abends durch die Stadt flanieren und den
Flederm"auml;usen lauschen. Termine: kurzfristig auf der Website.
Automatic merge failed (Differences that matter) - Femke Snelting
In Graz beschäftigt sie sich mit social network Entwicklungen wie
git, github und anderen Versionskontrollnetzwerken, die mittlerweile
die Form der Produktion auch in den Bereichen von design und
Kunstentwicklung prägen, und geht der Frage nach, wie diese neuen
Werkzeuge die Kommunikation und Entscheidungsfindung beinflussen. “Ich
werde mir anschauen, wie Versionskontrollwerkzeuge – wie sie von
Software-EntwicklerInnen, wie auch von KünstlerInnen und
DesignerInnen mittlerweile eingesetzt werden – unsere Ideen und
Vorstellungen von Zusammenarbeit und Teilen bestimmen. Ich werde einen
Vortrag halten, eine Installation entwickeln und vielleicht ergibt
sich ein gettogether.”
SHARE - Christina Clar
Komponistin, Filmemacherin und Konzeptkünstlerin, arbeitet mit neuen
Medien, freier Software und Tanz, lebt zwischen Brüssel, Paris und
Kärnten.
Fü,r Graz 2013 entwickelt sie basierend auf Überlegungen zu
Kommunikationsstrukturen eine Serie von Interventionen im Öffentlichen
Raum, in der sie sich mit Wahrnehmungsfragen, die durch
Geschwindigkeit bestimmt sind, beschäfigten wird; zudem schafft sie
Begegnungssituationen, in denen sie Fragen nach dem Teilen und
Teilbaren stellt.
„Having an experience is taking part in the world. Taking part in the
world is really about sharing responsibility. So art, in that sense, I
think holds an incredible relevance in the world in which we're moving
into, particularly right now.“
Olafur Eliasson
„Der Künstler schafft durch seine Arbeit seine Beziehung zur
Welt.“
Concha Jerez und Jose Iges
An der Welt teilzunehmen, eigene Erfahrungen zu machen, sich in die
Gesellschaft einzubringen heisst, Verantwortung zu übernehmen
beziehungsweise diese zu teilen. In diesem Sinn hat gerade Kunst – so
der dänisch-isländische Medienkünstler Olafur Eliasson
in seinem Verständnis von ‚Teilhabe‘ – eine grosse Relevanz in
unserer zunehmend technologisierten Welt, gerade auch im Hinblick auf
Entscheidungsprozesse, die für künftige
zivilgesellschaftliche Entwicklungen von Bedeutung sind.
I share, therefore I am. (Sherry Turkle, Connected but alone? Ted
Talks 2012)
Produktion
Die Beziehung zu den Objekten, die wir alltäglich verwenden, sind
als die zentralen Dinge zu entschlüsseln, die unser Handeln
bestimmen: Arbeitsweisen, Auswahl von Werkzeugen, künstlerische
Praxis.
In I share, therefore I am. ergeht an die teilnehmenden
KünstlerInnen die Einladung, eines oder mehrere Werkzeuge der
eigenen Produktion auszuwählen und mit diesem/rund um dieses
Werkzeug eine neue Arbeit zu entwickeln.
Diese Entwicklung geschieht in intensivem Austausch mit einer oder
zwei weiteren Personen aus den Bereichen Kunsttheorie, Cultural Theory
und/oder Technik.
Das Werkzeug kann Software, ein Tonbandgerät, ein
Geigerzähler, ein Smartphone, ... sein.
Diese Produktionsstreffen finden in der ESC statt.
I share, therefore I am.
Sherry Turkle nimmt in ihrem aktuellen Buch Alone Together. Why We
Expect More from Technology and Less from Each Other. 2011 Bezug auf
den Wunsch, sich mit etwas oder jemandem zu verbinden, verbunden zu
sein, zu kommunizieren, ohne sich auf eine Auseinandersetzung
darüber einzulassen.
Die Dinge, derer wir uns zu dieser Verbundenheit bedienen, sind als
Zwischenstufe eingeschoben, die für alles eingesetzt werden und
die als die zentralen Dinge zu entschlüsseln sind, die unser
Handeln bestimmen: Arbeitsweisen, Auswahl von Werkzeugen,
künstlerische Praxis.
Insofern ist dies ein Versuch einer Umkehrung von Sherry Turkle's
Aussage “I share, therefore I am.” - in der Bedeutung, dass wirkliche
Auseinandersetzung durch simples Voting ersetzt wird, wir also eine
Art Kommunikation führen, die weder zu Ereignis noch Ergebnis
führt - eine Scheinkommunikation. Durch das spezielle Networking
der ESC werden VertreterInnen verschiedenster Bereiche miteinander in
Kontakt gebracht und eingeladen, in Graz zusammen an Projekten zu
arbeiten, und damit der Raum geschaffen, in dem sich Kommunikation
ereignet und zu konkreten Ergebnissen führt.
Durch die zunehmende Technologisierung der Kunstproduktion und der
damit verbundenen Vielfalt an Techniken haben sich in den einzelnen
Kunstsparten Spezialisierungen entwickelt, die den Zugang erschweren
und die einiges an übersetzungsleistung vom Publikum verlangen.
In den hier geplanten Projekten wird dieser Prozess geöffnet,
indem man über Wissensvermittlung und das vertiefende
Verständnis über die verwendeten Technologien andere
Nutzungsvarianten schafft, die wieder eine Verbindung der zuvor
separierten Sparten und eine einfachere Entschlüsselung erlauben.
Eine andere Interpretation dessen, was uns umgibt, also keine
“Extremisolierung” (Turkle) angesichts der alles erfüllenden
Technologien (der humanoide Roboter, der immer freundlich und immer
anwesend ist), sondern die Unberechenbarkeit von entstehenden
Strukturen, deren Wirkungsweise noch nicht fixiert ist.
Nun werden KünstlerInnen, WissenschafterInnen und TechnikerInnen,
teilweise in 2er-Teams Projekte entwickeln. Den Abschluss bilden
Installationen, Performances, Konzerte und Gespräche über
die entstandenen Arbeiten.
Els van Riel, Pei-Wen Liu, Tobias Hoffmann, Marloes de Valk, Wernfried
Lackner, Diane Ludin, Enrique Tomas, Astrid Mager, Donna Metzlar,
Femke Snelting, Christina Clar.
So suggeriert uns die alltägliche Verwendung von
Kommunikationstechnologien die Möglichkeit zu Mitbestimmung und
Teilhabe, de facto wird dabei aber gestaltende Einflussnahme durch
Voting ersetzt. Weiters nehmen sie Einfluss auf die Verbindung der/des
Einzelnen zu einer grösseren Gruppe bis hin zu – „allen“. Diese
virtuelle Verbindung (connection) ersetzt bereits, was einmal
Gespräch und Auseinandersetzung war: “We’re substituting
connection for conversation.” (Sherry Turkle)
Kunst muss dafür sorgen, dass der Dialog zwischen den Menschen
wieder aufgenommen wird, denn Technik degradiert den Dialog zu einem
Klick. Wir haben den Dialog, so Turkle, an die Maschinen abgegeben und
selbst das Zuhören an ein Stück Software delegiert. Menschen
kommunizieren immer weniger face-to-face, sie editieren, löschen
und laden Information – von ihren Computern, Ipads und Mobiltelefonen.
Diese Geräte verändern nicht nur die Art, wie wir
kommunizieren, sondern auch uns selbst. Deshalb wird der
tatsächliche Austausch, die physische Präsenz als Ausgleich
und Ergänzung zur digitalen Persona enorm wichtig.
Es ist zu fragen, ob Technologie von Kunst hinreichend herausgefordert
und hinterfragt wird, oder ob Kunst mittlerweile selbst zu etwas
geworden ist, was sich vollends der technologischen Dynamik angepasst
hat.
Gegenüber der Verwertungslogik blitzschneller – zeitloser –
Informationsübertragung vermag Kunst eine Art von Zeitlichkeit
wiederherzustellen, und zwar Zeit als Dauer, eine Form der
ästhetischen Unterminierung.
Mit Wiederaneignung von Zeit geht auch die Rückeroberung von Raum
einher. Wenn ich Raum wahrnehme, einen sensorischen Eindruck oder eine
konkrete Vorstellung von Raum bekomme, wenn ich das Gefühl von
Zeit in diesem Raum habe, wird dieser zugänglich und damit
veränderbar.
Dies generiert die Möglichkeit von Gemeinschaft, von
Kollektivität, von Gesellschaft.
Künstlerische Auseinandersetzung kann sich sowohl der
theoretischen Bestimmung des „öffentlichen“ widmen, als auch ganz
konkret öffentlichkeit schaffen oder in öffentliche
Räume intervenieren, wie zum Beispiel in Debatten zu Demokratie
und Transparenz, Mit- und Selbstbestimmung oder Individuum und
Kollektiv.
Technologie funktioniert bloss, Kunst aber bezeichnet, schafft
Bedeutung, vermittelt zwischen Menschen untereinander und liefert jene
Muster, die die Welt der sensorischen Erfahrung mittels kultureller
Vorstellungskraft zugänglich machen. Technik schafft – wie Edmund
Leach schreibt – „beobachtbare Resultate in einer strikt mechanischen
Weise“, während Kunst ihrem Wesen nach kommunikativ ist und in
Form symbolischer Codes Information über Konzepte wie
beispielsweise Identität oder Gesellschaft zur Verfügung
stellt. Damit ergänzt und vervollständigt sie die durchaus
notwendigen und sinnvollen Spezialisierungen durch ihren
universalistischen Zugang und spielt das ExpertInnenwissen zurück
ins alltägliche Leben.
Die künstlerischen Projekte der ESC im LABOR widmen sich Fragen,
die sich aus den Wechselwirkungen von künstlerischer Praxis,
kulturellen Formationen und technologischen Innovationen ergeben und
die aus einer einzelnen fachspezifischen Sicht allein nicht mehr
beantwortet werden können.
Eröffnung: Samstag, 21. September 2013, 11 Uhr
22. September - 3. November 2013:
Dienstag - Sonntag: 10.00 - 18.00 Uhr
5. November – 13. Dezember 2013:
Dienstag - Freitag: 14.00 - 19.00 Uhr
und nach Vereinbarung
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